Anna erzählt - so könnte es gewesen sein. . . . . . .
Schon wieder eine eisige Nacht. Um 5 Uhr muas I raus und jetzt hat`s scho 16 Grad. Am liebsten würd` ich auf der Ofenbank, in der Stubn, am Kachelofen sitzen bleiben. Das ist der einzige Raum, der warm ist. Vorhin, im Denner, ein Eiskeller, ich hab` vergessen meine Sachen reinzuholen und unter die Ofenbank zu stellen. Die Handschuhe bocksteif gefroren, die Stiefel eiskalt, sogar die Schuhbandl gefroren. Wie kann ich da die Laternen anzünden, frag` ich mich. Sehen tu ich auch nichts, außer Eisblumen am Fenster und davor Eiszapfen, die muß ich noch runterschlagen bevor ich rausgehe. Der Vater ist zu alt. Ich hab seine Pflichten als Laternenanzünderin übernommen und bin bei der Gmoa offiziell angestellt; huift nix I muas raus . . . .
Das wird heut` kein einfacher Dienst. Seit heute Mittag hör ich schon die Schellenrührer in der Straßen. Ihre Juchaza und das Stampfen wenn`s in die Wirtschaft rein und die Juchaza wenn`s wieder raus geht. Da sag I mir, Anna paß auf das du dene nicht übern Weg läufst.
Aber da hat der Magistrat in Partenkirchen eine Verordnung rausgegeben, die jetzt alles regelt, was des Maschkeragehen betrifft. Da hoast`s ungefähr so:
Werdenfelser Anzeiger, 29. Dezember 1900, Bekanntmachung vom 27. Dezember 1900
Bekanntmachung
Das Maskengehen betreffend
Nachstehen wird eine im rubr. Betr. erlassene ortspolizeiliche Vorschrift vom 28. November 1.Js. vorschriftsgemäß zur allgemeinen Kenntnis gebracht.
Partenkirchen, den 27. Dezember 1900
Magistrat des k. b. Marktes Partenkirchen
Neuner, Bürgermeister
Der Magistrat des kgl. Bayer. Marktes Partenkirchen erlässt hiermit für das Maskengehen auf Grund § 366 Ziff. 10 des bayer. Strafgesetztbuches . . . . . . . . . .. . . .nachstehende, d.h. für die Zeit vom 7. Januar bis 20. Februar 1901 gültige
Ortspolizeiliche Vorschrift
§ 1
Das Maskengehen auf öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen ist nur innerhalb der Zeit vom 3. bis 20 Februar 1901 an den üblichen Tagen, d.i. am Sonntag, Montag, Dienstag und Donnerstag gestattet, an den übrigen Tagen innerhalb dieser Zeit verboten.
§ 2
Die auf öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen maskiert erscheinenden Personen ist das Mitführen von Waffen jeder Art (auch Stöcke) sowie das Führen von sogenannten Sacklarven untersagt.
§ 3
Maskiert erscheinende Personen haben jedem Auftrag seitens der Polizeiorgane unweigerlich nachzukommen, insbesondere auf Aufforderung der Sicherheitsorgane die Larven sofort abzunehmen.
§ 4
Übertretungen dieser Vorschriften werden mit Geld bis zu 60 Mark oder mit Haft bis zu 14 Tagen bestraft.
Magistrat des k. b. Marktes Partenkirchen
Auf jeden Fall gönn` ich mir nach Dienst no a gloans Schnapsal, wird nach so a Nacht wohl gestattet sein.
Die Zeit verfliegt und kaum sind 100 Jahre vergangen schaut`s a so aus . . . . .
Fasching- eine persönliche Erfahrung -
Hellblauer Himmel, eine Luft wie Seide, es riecht nach Erde und den ersten Frühlingsblumen. Das Ende des Winters ist nahe, der Frühling kommt bald und wir warten auf den Beginn der Faschingszeit.
Als kleines Mädchen weißt du nichts von dem historischen Hintergrund und der Bedeutung „des Maschkera gehen“ im Fasching.
Am 1. Sonntag nach Hl. Dreikönig beginnt die Fosenacht und endet am Faschingsdienstag um Mitternacht. Der Maschkera trägt eine geschnitzte und bemalte Holzlarve vor dem Gesicht und ist völlig unkenntlich maskiert.
Diese Larven, sind teilweise richtige Kunstwerke mit ihrer Bemalung und den großen dunklen Augenhöhlen – magisch –
Mit wilden Tänzen, Lärm und Gerassel hat man so in alter Zeit den Winter aus dem Tal vertrieben.
Du aber freust dich über dein Faschingskostüm. Bist endlich das Rotkäppchen oder sogar eine Prinzessin mit einem kleinen goldenen Krönchen auf dem Kopf. Die Buben sind Indianer, Piraten oder Cowboys. Es beginnt mit dem unsinnigen Donnerstag. Da gehen die „Schellenrührer“ um. Sie sehen so unheimlich aus mit ihren hölzernen Gesichtslarven, den riesigen Kuhglocken am Hüftengürtel. Langsam von einem Bein auf das andere hüpfend, bewegt sich die Gruppe durch das Dorf. Vorneweg der Vortänzer der einen bändergeschmückten Halbkranz über dem Kopf schwenkt. Es geht von Wirtshaus zu Wirtshaus. Wir, die Kinder, in respektvollem Abstand hinterher. Dann am nächsten Tag, am rußigen Freitag, heißt es aufpassen! Immer hat einer etwas Ruß in einer Schuhcremdose dabei und schnell hat man einen rußigen Strich im Gesicht.
Samstag ist der große Tag der Faschingsbälle. Unter einem Motto laden die Ortsvereine zu einem Ball ein. Die Wirtsstuben in den Gaststätten werden mit Luftballons, Luftschlangen und dicken Girlanden, die von Deckenleuchter zu Deckenleuchter hängen, geschmückt. Über den Wandlampen stecken Papierlampignons mit einem Mondgesicht. In einer Ecke ist eine Bar aufgebaut.
Dann kommen Sie alle, die Piraten, Seeräuber, Toreros, Zauberer, Wäscherinnen, man sieht zarte Chinesinnen, Holländerinnen mit Holzpantienen Haremsdamen mit Scheich, eine Clowngruppe, Schloßgespenster, eine Dompteur mit Bären, es folgen Riesen, Zwerge, sogar Dschingis Khan mit seinen finsteren Gesellen. Im blauen Dunst der Wirtshausluft teilweise nur unscharf zu erkennen. Die Kapelle spielt fast ohne Pause und die Tanzfläche ist brechend voll. Zum „Luftholen“ geht es an die Bar. Es blitzen Augen hinter Larven, es lacht ein Mund unter einer Maske, du bekommst ein Kompliment von einem Unbekannten, der dir sagt das er dich schon seit Jahren gut leiden kann. Eine Schöne der Nacht wirft dem Torero unter ihren langen Seidenwimpern einen feurigen Blick zu. Wenn dann gegen Morgen die Musik zu spielen aufhört, gibt es immer jemand der zu einer Brotzeit zu sich nach Hause einlädt. Dort sitzt man dann gemütlich zusammen.
Am Sonntag, gibt es den Faschingsumzug. Schrecklich und faszinierend war die“Altweibermühle“. Oben ein altes Weiblein rein, dann ein bißchen an der Kurbel gedreht - knacks, knacks- unten kommt ein springfidels junges Mädel raus. In wochenlanger Arbeit wurden Themenwagen gestaltet . Dorf- und Landespolitik, Aktuelles zum Zeitgeschehen, Historisches aus der Region, zwischendrin die Maschkeramusi, Jacklschutzer, Untersberger Mandl, Krätznweibal, die Schellenrührer und viele Maschkera gehen mit. Die treiben ihre Späße mit den Zuschauern, man stellt man sich besser nicht so nah an den Straßenrand.
Am Montag“ geht es weiter mit dem feiern. Wer noch nicht auf einem Faschingsball war, hat jetzt die letzte Gelegenheit. Tanzen und mitsingen bis zum Morgengrauen. (Mit 2 Tagen Urlaub hat mancher bis Faschingsdienstag durchgefeiert).
Diejenigen, die am Faschingsdienstag arbeiten, erscheinen meistens schon oder noch kostümiert. Der Busfahrer, der Schalterbeamte, Kellner- und Verkäuferinnen bedienen die Kunden heute besonders freundlich. Es freuen sich alle auf den arbeitsfreien Nachmittag. Da geht es zum lustigen Skifahren auf die Pisten und mit Einkehrschwung in die Hüttn, wo schon die Musi spielt. Wer nicht skifährt sitzt in einer der vielen Almhütten oder Berggaststtätten bei einem Bier und einer guten Brotzeit. Ein Haferl Kaffee und ein Faschingskrapfen geht auch noch. An diesem Nachmittag gibt es das maskierte Damenspringen im Olympiaskistadion, ein herrlicher Spaß für die Zuschauer. Die Kinder freuen sich schon auf den Angler, natürlich ein Maschkera, der Würschtl und andere gute Sachen an der Angel hat. Jeder bekommt was, auch wenn er noch nicht so hoch hupfen kann. Die Kinder sind voll in Faschingsstimmung, haben sie doch 3 Tage schulfrei und sich beim Kinderball am vergangenen Sonntagnachmittag amüsiert.
Aber leider, gerade wenn es am schönsten ist, muß man Abschiednehmen. Am Dienstag um 12:00 Uhr Mitternacht ist alles vorbei. Der Fasching wird begraben, die Musik hört auf zu spielen, die Lichter gehen an und man geht nach hause. Was war das für eine Zeit, schee was wieda!
Am Aschermittwoch ist alles vorbei, die Larven, die Faschingsgewänder kommen wieder, sorgfältig verpackt, zurück in Kisten und Kasten. Es beginnt die Fastenzeit, wir starten gleich voll durch mit einem traditionellen Fischessen und freuen uns auf das nächste Jahr.